Dauerausstellung: Vom Mittelalter bis zur Moderne
Wer beim Dommuseum Hildesheim nur an mittelalterliche Schätze denkt, hat nicht alles gesehen. Die Dauerausstellung verbindet Mittelalter und Moderne.
Im Grunde beginnt der Besuch des Hildesheimer Dommuseums künftig bereits, bevor man auch nur einen Fuß in das Museum gesetzt hat. Denn in das Museum gelangen die Besucher über das Domfoyer an der Nordostseite der Bischofskirche. Der Weg führt von dort über den oberen Kreuzgang, der bereits als Ausstellungsbereich dient. Grabplatten aus sieben Jahrhunderten sind entlang des Kreuzgangs angebracht. Diese Monumente, von denen die ältesten noch aus der Frühzeit Hildesheims stammen, erinnern an die vielen Generationen geistlicher Würdenträger, die den Ort geprägt und gestaltet haben. Sie dokumentieren die Geschichte der Menschen an diesem Ort während der vergangenen 1200 Jahre.
Das Hauptgebäude des neuen Dommuseums liegt am Südflügel des Kreuzgangs in den Räumen der profanierten Antoniuskirche, in deren Obergeschoss die ersten vier Ausstellungsräume des Dommuseums beheimatet sind. Die sich anschließende Raumfolge zeigt in hochrangigen Kunstwerken aus dem Domschatz wichtige Themenkomplexe aus Geschichte und Kultur von Dom und Bistum. Der predigende Johannes der Täufer in Gegenüberstellung mit einer kleinen Bronzestatue von Thomas Lehnerer, die den Titel „Methusalem“ trägt, steht wegweisend am Beginn des Rundgangs durch die Innenräume des Museums.
Die beiden folgenden Räume beherbergen zwei barocke Ensembles: Das erste bilden die sechs großen Wandteppiche aus dem alten Festsaal des Domkapitels, die zum Besten der Tapisseriekunst zählen. Sie sind zu Beginn des 17. Jahrhunderts im Umfeld des französischen Hofes entstanden und zeigen die Legende von Artemisia, einer der Töchter des griechischen Obergottes Zeus. Im 18. Jahrhundert wurden sie für das Hildesheimer Domkapitel angekauft um damit eine am Dom gelegene Synodenaula zu schmücken. Dabei ging man irrigerweise davon aus, der jugendliche Herrscher stelle Ludwig den Frommen dar, den Gründer Hildesheims. Ursprünglich waren es acht Wandteppiche, doch zwei von ihnen gingen in den Wirren der Geschichte verloren. Die verbliebenen Gobelins wurden aufwändig restauriert. Mehr als 30 Jahre dauerten die Arbeiten an den wertvollen Stücken, die nun zum ersten Mal seit Ende des Zweiten Weltkriegs wieder der Öffentlichkeit gezeigt werden.
Von den Auseinandersetzungen der Gegenreformation berichten indes die drei Wrisbergschen Tafeln im nächsten Ausstellungsraum. Das Triptychon wurde um 1585 von dem Hildesheimer Künstler Johannes Hopffe als Epitaph für den Domherrn Ernst von Wrisberg geschaffen. Während die Außentafeln angelehnt an Vorbilder der italienischen Renaissance die Geburt und Auferstehung Christi zeigen, veranschaulicht die Mitteltafel mit gegenreformatorischen Akzent mit der zentralen Darstellung die römischen Kirche als die allein heilsvermittelnde Institution. Diesen Gemälden gegenüber hängt eine zeitgenösische Auftragsarbeit von Gerd Finkel mit den Worten eines der ältesten christlichen Gedichte in deutscher Sprache, dem Wessobrunner Gebet. Im Zentrum des Raumes steht jedoch eine von Bischof Bernward gestiftete Bibel, die im Wechsel mit unterschiedlichen Bibelausgaben aus dem reichen Bestand der Dombibliothek einen Eindruck von den Fundamenten des Glaubens vermittelt.
Eine historische Wand, die in ihren ältesten Teilen noch aus dem 11. Jahrhundert stammt, markiert die thematische Zäsur zum Ziel und Wendepunkt der Raumfolge im Obergeschoss. Die Besucher gelangen in den früheren Rittersaal. Thema dieses Raumes ist die Feier der Liturgie. Von Wand zu Wand und von der Decke bis zum Boden spannt sich ein Stahlkreuz, das den Raum in vier Kompartimente gliedert und mit dem lebensroßen Kruzifix aus Kloster Ringelheim, einer Stiftung Bernwards aus der Zeit um 1000, den zentralen inhaltlichen Akzent setzt. Das Ringelheimer Kruzifix ist eines der ältesten vollplastischen Bildwerke des Mittelalters. Um dieses Kreuz gruppieren sich die weltberühmten Altargeräte des Hildesheimer Domschatzes.
Ein nächster Schwerpunkt im Ausstellungsparcours sind die Reliquien und Reliquiare. Die Räume des Erdgeschosses sind daher dem Themenkomplex Endlichkeit-Ewigkeit gewidmet. Eine große vierteilige Arbeit von Gerd Winner mit dem Titel „End“ prägt den ersten Raum. Winner gewann zahlreiche nationale und internationale Preise für seine Werke und ist schon seit Jahren mit dem Bistum Hildesheim und dem Dommuseum eng verbunden.
Die monumentale Grafik wird mit einer Reihe von Reliquien konfrontiert, darunter ein liebevoll verzierter Heiligenschädel, der drastischer als die im folgenden präsentierten Zeugnisse der Heiligenverehrung vor Augen führt, welche existentiellen Fragen sich letztlich mit dem Thema verbinden. Die Frage nach dem Tod als Ende oder Übergang vergegenwärtigen auch die weiteren ausgestellten Reliquiare aus unterschiedlichsten Materialien, Holz, Glas oder Edelmetall und kostbare textile Reliquienhüllen in den folgenden Raumkompartimenten stellen dem Besucher die materiellen Zeugnisse christlicher Auferstehungshoffnung vor Augen. Von besonderer Bedeutung sind hier Kunstwerke, die mit den bedeutenden heiligen Hildesheimer Bischöfen Bernward und Godehard verbunden sind. Dazu zählen die berühmten Handschriften und Silbergussarbeiten aus den bernwardinischen Werkstätten ebenso wie die sensationellen Textilfunde aus dem Schrein des hl. Godehard.
Der Rundgang führt den Besucher dann in den Neubau des Museum vor den etwa neun Meter hohen Renaissancelettner des Doms, dessen Sandsteinreliefs in einer umfangreichen Szenenfolge aus dem Alten und Neuen Testament die Kernaussagen des christlichen Glaubens zusammenfassen. Dieser monumentalen Bilderwand gegenüber steht die Skulptur „Strukturen, vernetzt“ von Emil Cimiotti, einem der wichtigsten Vertreter der Informellen Kunst, die nach dem Zweiten Weltkrieg den radikalen Bruch mit dem klassischen Bildhauerthema der menschlichen Figur vollzog und nach völlig neuen Ausdrucksformen suchte.
Im Untergeschoss des Neubaus führt der Rundgang durch das Museum zu den Wurzeln von Stadt und Bischofssitz in Hildesheim. Dort sind die ausgegrabenen Reste der Bernwardmauer zu sehen, einer der ältesten nachantiken Stadtmauern Europas, die Bischof Bernward vor rund 1000 Jahren um den Dombezirk ziehen ließ. Die Mauer war während der Bauarbeiten zur Domsanierung gefunden worden und hatte die Fachleute überrascht: Dass die Mauer existierte, war zwar schon vor ihrer Entdeckung klar gewesen. Allerdings hatte niemand damit gerechnet, solch umfangreiche Überreste in einem derart guten Erhaltungszustand zu finden. Im Untergeschoss konnten nun diese Teil des bernwardinischen Erbes bewahrt und in das neue Dommuseum integriert werden. In diesem Bereich werden archäologische Fundstücke gezeigt, die die Geschichte von Stadt und Bistum widerspiegeln.