Große Sonderausstellung thematisiert die Gemeinsamkeiten der Kulturen im Mittelalter

In den Kirchenschätzen Europas und im Hildesheimer Domschatz (UNESCO-Welterbe) sind zahlreiche Kunstwerke aus vom Islam geprägten Regionen überliefert. Ausgehend von diesen Objekten veranschaulicht die große Sonderausstellung „Islam in Europa 1000–1250“ im Dommuseum Hildesheim die Gemeinsamkeiten und Verflechtungen der Kulturen im Mittelalter.

Hochkarätige, seltene Leihgaben unter anderen aus Florenz, London, Paris und Wien bieten eine einzigartige Möglichkeit, dieses auch für die Gegenwart relevante Thema zu vertiefen.

Keilförmiges Reliquiar aus dem Hildesheimer Domschatz mit abbasidischer Schachfigur und Stein mit arabischer Inschrift. © Dommuseum Hildesheim, Foto: Florian Monheim

Córdoba, Palermo, Kairo und Konstantinopel waren im Mittelalter glänzende Metropolen mit florierender Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst. Kostbare Bergkristallgefäße, Seidenstoffe, Elfenbeinschnitzereien und Übersetzungen von wissenschaftlicher Literatur fanden aus den vom Islam geprägten Regionen ihren Weg bis nach Mitteleuropa. Diese Migration der Objekte sowie die Vermittlung von Wissen und Technik führten zu einer engen Verflechtung der Kulturen. Über die Grenzen von Religionen und Sprachen und über geographische Entfernungen hinweg verbanden diese Objekte so die Gebiete des heutigen Irak und Iran über Nordafrika und Spanien bis nach Mitteleuropa. In den Kirchenschätzen erhalten, zeugen sie von den Gemeinsamkeiten der Kulturen in der Zeit zwischen 1000 und 1250.

Die Ausstellung im Dommuseum Hildesheim beleuchtet diesen Themenkomplex in unterschiedlichen Kapiteln, darunter etwa zur Integration von arabisch beschrifteten Edelsteinen, von Schachfiguren oder Textilien in Werke der europäischen Schatzkunst. Wenn Objekte aus vom Islam geprägten Regionen bisweilen auch ein christliches Bildprogramm zeigen oder sich Herstellungsregionen gar nicht mehr bestimmen lassen, wird offensichtlich, wie eng die Kulturen miteinander verflochten waren. Auch dem Wissenstransfer durch die Übersetzung von wissenschaftlicher Literatur aus dem Arabischen ins Lateinische widmet sich ein Ausstellungskapitel. Der Ausstellungsteil „Labor Gegenwart“ lädt vor dem Hintergrund der gemeinsamen Geschichte zur Beschäftigung mit Fragen der heutigen Gesellschaft und Kultur ein: Unter-schiedliche Medien wie Literatur, Musik und Film ermöglichen hier eine vertiefende Information und Raum zur Reflexion. 

Die Ausstellung wird von einem umfassenden Veranstaltungsprogramm begleitet, darunter Führungen in arabischer, deutscher und türkischer Sprache. Vermittlungsformate und Workshops richten sich besonders auch an Kinder und Jugendliche, so etwa ausstellungsbegleitende Schulprojekte, deren Ergebnisse ins „Labor Gegenwart“ einfließen. Andere Veranstaltungsformate reichen von Darbietungen u. a. von „Songs of Gastarbeiter“ über Literatur-Lesungen bis zu einem Gespräch mit Thomas Bauer (Professor für Islamwissenschaft und Arabistik, Westfälische Wilhelms-Universität Münster) und Felix Körner (Nikolaus Cusanus-Lehrstuhl für Theologie der Religionen, Humboldt-Universität zu Berlin).

Zur Ausstellung erscheint im Verlag Schnell & Steiner ein reich bebilderter Katalog in deutscher Sprache mit Beiträgen von Silvia Armando, Thomas Bauer, Antje Bosselmann-Ruickbie, Stefan Heidemann, Theresa Jäckh, Lothar Lambacher, Jenny Rahel Oesterle-El Nabbout, Joanna Olchawa, Marcus Pilz und Regula Schorta. 

Zitate

„Ziel der Ausstellung ist es, die Gemeinsamkeiten der Kulturen ausgehend von den Objekten des Hildesheimer Domschatzes als historische vorzustellen. Damit soll auch eine neue Perspektive auf gesellschaftliche und kulturelle Phänomene der Gegenwart ermöglicht werden.“
Dr. Felix Prinz, Kurator Dommuseum Hildesheim

„Die Stadt Hildesheim und das Dommuseum sind sowohl aufgrund der heutigen gesellschaftlichen Situation als auch ihrer großen Geschichte für dieses Ausstellungsprojekt geeignet wie kein anderer Ort.“
Prof. Dr. Claudia Höhl, Direktorin Dommuseum Hildesheim

 

„Das Dommuseum Hildesheim ist aufgrund seiner Sammlung und Gestaltung ein herausragender Ort niedersächsischer Kultur mit internationaler Reputation und weltweiter Bekanntheit. Die Ausstellung „Islam in Europa 1000–1250“ des Dommuseums Hildesheim leistet einen hervorragenden Beitrag dazu, Parallelen und Gemeinsamkeiten unserer Kulturen anschaulich zu machen. Sie fördert ein tiefes Verständnis für die eigene Kulturgeschichte, die oftmals auch Teil der Kulturgeschichte anderer ist.“
Björn Thümler, Niedersachsens Minister für Wissenschaft und Kultur

„Kunstwerke aus europäischen Kirchenschätzen – vor allem Objekte aus islamisch geprägten Regionen – explizit zu betrachten und so Gemeinsamkeiten und Verflechtungen der Kulturen im Mittelalter zu beleuchten, ist ein äußerst gewinnbringender Ansatz! Der Versuch anhand dieser Objekte auch neue Perspektiven auf aktuelle gesellschaftliche und kulturelle Phänomene zu schaffen, ist ein zusätzliches und wichtiges Anliegen.“
Dr. Martin Hoernes, Generalsekretär der Ernst von Siemens Kunststiftung

„Schon im Mittelalter waren die Kulturen der Welt in vielen gesellschaftlichen Sphären miteinander verwoben. Globalisierung ist insofern kein reines Phänomen der Neuzeit, nur das Tempo des Austauschs und die Macht gegenseitiger Abhängigkeiten sind ungleich größer. Damals wie heute brauchen wir das Wissen um die anderen Kulturen und Religionen, müssen uns mit Unterschieden und Parallelen vertraut machen, um Respekt und Wertschätzung entwickeln zu können. Die Ausstellung „Islam in Europa 1000–1250“ des Dommuseums Hildesheim leistet dazu einen wichtigen Beitrag!“
Lavinia Francke, Generalsekretärin der Stiftung Niedersachsen